von Anne Katrin Stork ( 3.2010)
Wie verhält es sich hier mit der Harmonie? Es ist ein starkes Moment in Astrid Mulchs Skulptur:
die Integrität der Figur mit sich selbst, seinem überwundenen Leiden, die Betonung des starken Ichs, des Selbstkontaktes trotz einer eigentümlichen Schüchternheit und Unaufdringlichkeit.
Es sind keine lauten Skulpturen. Ihr starkes Harmoniestreben überrascht als vollkommen antizyklische zeitgenössische Position. Das Geheimnisvolle der Skulpturen geschieht im Stillen und Verborgenen und doch in sichtbarer Geste.
Komplexe emotionale Erfahrungen und Prozesse werden durch Andeutungen in Form gebracht.
Die Säule als verbindender Raum ist immer wieder zentrales Thema auch für das gemeinsame Entstehen.
Werden, Wurzeln und Einheit sind Begriffe, die als Themen die Weiblichkeit umschreiben. Die Figuren strahlen eine starke Identität mit dem eigenen Körper aus: er gehört ihnen.
Die meist weiblichen Figuren erreichen einen positiven, inneren Zustand, der den Kontakt zu Schuld und Leid nicht ausklammert. Diese offensichtliche Einheit fundamental widersprüchlicher Gefühle überrascht und stellt sich gleichfalls als Stärke dar. In dieser Fähigkeit zur Überwindung von Ängsten ist eine reflektierende, fragende Haltung zu finden und leitet sich gleichzeitig eine starke Energie ab.
Das Störende an Astrid Mulchs Skulpturen ist ihr provozierender energetisch aufgeladener Zustand. Ihr Verweigern jeglichen zeitgenössischen Bezuges. Sie fordern auf, mitzufühlen, nachzuspüren, sich anzunähern, teilzuhaben an dieser kraftvollen und zugleich stillen Einheit.
Die dargestellte starke Emotionalität wird in Andeutungen verschlüsselt, so dass ein direkter Ausbruch ausdrücklich vermieden wird. Dabei überraschen die Figuren in ihrer verhaltenen Geste mit Authentizität, denn ihre künstlich angelegten Haltungen sind glaubhaft. Ihr eigentümlicher Jetzt-Zeit-Begriff wirkt befremdlich und vertraut.
Wir dürfen ihnen glauben, dass sie uns entführen in eine Welt der Mysterien, in der Emotionalität und Verstehen, Körper und Seele nicht in Gegensätzlichkeiten erstarren, sondern als ergänzende Zustände abgebildet werden.
Die meist farbig gefassten Skulpturen von Astrid Mulch bestechen mit ihren deutlichen Vergangenheitsbezug durch die Bejahung des Begriffes der Gegenwart als fließenden Zustand, ausgestattet mit einem wesenhaften, vollkommen autonomen Charakter.